Interview

Exterminate All the Brutes

Projekt von Alex Antener[0] vorgestellt von Ramon Cahenzli[1]

Freie Software: Eine Chance für Afrika?

„Afrika, oh, Afrika! Der Herrgott muss wirklich in miserabler Verfassunggewesen sein, als er diesen Kontinent schuf. Warum sonst hätte er ihnmit Menschen bevölkert, die vom ersten Tag an dazu verdammt waren, durchdie Völker eines anderen Kontinents verdrängt zu werden? Wäre es dannnicht besser gewesen, die Nigger gleich weiss zu machen, so dass darausmit etwas Glück ordentliche Engländer hätten werden können, anstattdiesen das Problem der Ausrottung aufzuhalsen? Nigger haben keineWaffen, also auch keine Rechte. Ihr Land gehört uns.“

Dieses Zitat von R.B. Cunninghame Graham, einem Freund von JosephConrad, beschreibt die Haltung der kolonialistischen Gesellschaften ineiner ungeschminkten Ironie. Wie sich diese Haltung sogar heute alsneo-imperialistische Form bewahrheitet hat, bringt der SNM-Student AlexAntener, anlässlich seiner Reise ins „Herz der Finsternis“ oder genauernach Malawi, in Erfahrung und hier zum Ausdruck.

Malawi ist eine kleine, ehemals britische Kolonie, die am drittgrössten See Afrikas liegt, dem „Lake Malawi“. Das Land ist eingebettet zwischenMoçambique, Sambia und Tansania. Seit David Livingstone hier vorbeigekommen war, lebt die Bevölkerung vom Tabak- und Teehandel, den dieWeissen im Lande kontrollieren. Agrikultur ist aber nicht das einzigeObjekt der Begierde für die Abgesandten und Angeheurten der westlichenGrosskonzerne. Überall wird vom Digital Divide geschrieben. Afrika hinkeden Europäern und Amerikanern um Jahre hinterher, was die Informatikangehe. Die Förderung, die Afrika von uns Industrieländern erhält, istaber nicht ganz uneigennützig. Konzerne wie Microsoft, HP und Dellverführen, die im Entstehen begriffenen Bildungsstrukturen, lockenMenschen und später Firmen, in ihre niemals endenden Kreisläufe derSystem-Upgrades und Reinvestitionen. Dies zeigt auch das Beispiel derICT Trade Fair in Blantyre, grösste Stadt Malawis, wo westliche Firmender Informatik- Branche, Kunden für die Zukunft aquirieren.

Es kann ja nicht sinnvoll sein, Menschen, die sich gerade knapp dastägliche Essen leisten können, unsere westlichen Preisstrukturenaufzuzwingen. Genau dies wird aber von den genannten Konzernen getan,zum Beispiel bei Hardware und Software. Zu Beginn wird sie Schulen und Universitäten in Afrika kostenlos zur Verfügung gestellt. Wenn es aberdann eine neue Version gibt, kostet die Aufrüstung plötzlich Geld. Upgrades sind unausweichlich. So sind sie auch Teil des Vertragszwischen Microsoft und SchoolNet Malawi. Als Microsoft mit der Forderungnach Geld und Upgrades für die „gespendeten“ Windows-PCs an SchoolNet herantrat, realisierte die Organisation, in welche Abhängigkeit siemanöriert worden war.

Dass neben dieser höchst kommerziellen Software auch offene, oftkostenlose und vor allem unabhängige Programme und Betriebssysteme, wieLinux und OpenOffice existieren, weiss in Malawi kaum jemand. Bedingungfür den Zugang zu dieser Information ist ein ungehinderterInformationsfluss, und dazu gehört auch eine erschwingliche Anbindungans Internet. Die hoffnungslos überholte 64-Kilobit-Leitung der“University of Malawi: The Polytechnic“ ist weder angemessen nocherschwinglich. Trotzdem gehört die Universität damit schon zu denprivilegierten Schulen.

RC: Alex, wie bist du auf die Idee gekommen, bei der University of Malawi: The Polytechnic anzuklopfen?

AA: Ich suchte nach Orten, wo ich mein Wissen an Dritte weitergeben kann. So machte mich Bessie Nyirenda, Leiterin von SchoolNet Malawi, mitLeuten bekannt, die mir beim Erreichen eines meiner Ziele helfenkonnten: Nämlich meine Kenntnisse nicht nur einer kleinen Gruppezugänglich zu machen, sondern eine möglichst grosse Anzahl Menschen zuerreichen und nachhaltig zu fördern. Auch Barbara Berger vom ITZ der HGKZ half mit ihrer Spende von fünf Laptops, welche in den Besitz derPolytechnic übergingen.

RC: Wie sah denn die bestehende Technik aus? Wie waren die Zustände alsdu ankamst?

AA: Die Infrastruktur der Uni war vollkommen unzureichend. Mehr als 500Studierende teilten sich diese unglaublich langsame Internet-Verbindung.Neben den Servern hauste Ungeziefer, und die Räume waren kaum richtigverkabelt, so dass das Uni-Netzwerk nur teilweise genutzt werden konnte.Mit Würmern infizierte Windows-Rechner in den Sekretariaten gaben derInternet-Anbindung den Rest und frassen auch noch das letzte Stückverfügbarer Bandbreite.

RC: Und was konntest du dagegen tun?

AA: Ich bot der Uni an, die Infrastruktur auszubauen, Netzwerkdienstezuverlässig zur Verfügung zu stellen und später auch Technikerauszubilden, die die ganze Anlage warten können. Im Gegenzug offeriertemir die Uni einen Arbeitsvertrag als Gastdozent. Gerne nahm ich dasAngebot an, wollte für meine Arbeit aber kein Geld. Stattdessen übernahmThe Polytechnic meine Kost und Logis in einem ihrer eigenenDozentenquartiere.

RC: Was waren deine ersten Schritte, um die Situation zu verbessern?

AA: Erstmal gab es im Softwarebereich viel zu tun: Das bisher auf einemder Server verwendete Red Hat Linux 8.0 war zu diesem Zeitpunkt schonveraltet und ausserordentlich schlecht und unvollständig konfiguriert.Ich ersetzte es durch ein aktuelles Fedora Core 2 (ebenfalls eineLinux-Distribution) und sorgte dafür, dass alle Dienste zuverlässigerreichbar sind. Parallel dazu bauten wir das Netzwerk so aus, dass anallen nötigen Orten eine Netzwerkverbindung zur Verfügung steht.

RC: Wenn wir schon bei Linux sind, wie stark ist die Verbreitung vonLinux und anderer freier Software in Malawi? Man kann sich ja denken,dass sich freie Software sehr gut für die aufkeimende IT-Welt Afrikaseignet, und nicht nur weil sie meist kostenlos ist.

AA: Das stimmt. Doch leider ist das Knowhow in diesem Bereich ungerechtverteilt. Der durchschnittliche Afrikaner weiss nichts von der Existenzdieser Software, und diejenigen, die sie einzusetzen wissen, sitzenmeist in grossen ausländischen Betrieben und haben in westlichen Ländernstudiert. Das fördert den Digital Divide noch mehr. Was es braucht istlokales Wissen. Was ist freie Software? Wieso ist sie wichtig fürAfrika? Wie bedient man die typischen Programme und Werkzeuge? Ausdiesem Grunde erstellte ich an der Polytechnic den ersten zentral-afrikanischen Linux-Mirror. Ein Mirror besteht aus lokalen Kopien vonSoftware und anderen Dateien, die dann über das schnelle Schulnetzwerkverteilt werden können — ideal für eine so langsame Internetverbindung,wie an diesem College. Dieses System beschleunigte die Installation derSoftware auf den PCs der Studierenden enorm. Daneben traf ich auchandere Vorkehrungen, damit die Langsamkeit der Anbindung weniger insGewicht fällt (Proxy-Server usw.).

RC: Die Software allein ist aber nur die Hälfte der Gleichung. Duerwähntest schon das ungleich verteilte Knowhow. Was für einenWissensstand hast du vorgefunden, und wie konntest du das neue Wissen umdie freie Software einbringen?

AA: In meinen Augen war die Ausgangslage katastrophal. DieAusbildungsprogramme kamen hauptsächlich von Microsoft, HP und Cisco,die der Schule natürlich ihre eigenen Produkte aufzwingen und keineobjektive Sichtweise auf die Softwarekultur zulassen. Diese Objektivitätist aber unabdingbar für eine umfassende informatische Ausbildung. Aufdem Linux-Mirror findet sich neben der eigentlichen Software auch einelückenlose, kostenlose Dokumentation dazu. etwas wofür die genanntenFirmen gerne Geld verlangen. Diese Information ist enorm wertvoll undermöglicht es allen Beteiligten, sich auch nach meiner Abreise nochproblemlos zurechtzufinden und ihr Wissen zu erweitern.

Ein Jahr nach meiner Rückkehr ist es interessant zu sehen, wie die Leute langsam lernen, mit dieser Information umzugehen. Erste Rückmeldungen bestätigen den bisherigen Erfolg. Ich freue mich, wenn ich E-Mail aus Afrika mit Fragen zu den eingesetzten Systemen erhalte, denn das zeigt mir, dass die aufgebaute Infrastruktur rege benutzt wird. Gerade deshalb zieht es mich auch wieder nach Malawi, um das Begonnene weiterzuführen.

[0] Alex Antener
Student im Diplomsemester des SNM. GNU/Linux Systemadministrator und Gast-Dozent an der University of Malawi The Polytechnic.
http://lix.cc/malawi

[1] Ramon Cahenzli
GNU/Linux GNU/Linux Systemadministrator am SNM. Mitglied der Free SoftwareFoundation Europe.
http://psy-q.ch

4 Responses to “Interview”

  1. Markus Zielonka Says:

    Hallo,

    wie kann ich Kontakt mit Herrn Antener aufnehmen?
    ___
    Alex Antener
    Student im Diplomsemester des SNM. GNU/Linux Systemadministrator und Gast-Dozent an der University of Malawi The Polytechnic.
    http://lix.cc/malawi
    ___

    Ich habe zu dieser Seite (http://lix.cc/projects/malawi) viele Fragen.

    MfG

    Markus Zielonka

  2. Anthony Sinya Ziba Says:

    Dear Alex,
    Thanks for sharing your experiences and observations. It is indeed true that (technologically) Malawi is miles
    away from the developed world. However, it appears that while Microsoft and other organisations shamelessly continue to take advantage of this poor country, some key decision makers within Malawi stand aside and let Malawi be taken advantage of. In your article you talk about the deal between SchoolnetMalawi and the IT giant, Microsoft. Although I do not have the detailsof the agreement between the two, it is clear that this is not a healthy relationship. Firstly, as you have already indicated in your article,it only serves to foster dependency structures and put Malawi in a position of a helpless nation – always at the mercy of Microsoft and other similar organisations. In any language, this is not healthy at all. Nations like Malawi need to be empowered to extricate themselves from poverty and underdevelopment. This cannot happen if hypocritical organisations like Microsoft continue with these aggressive marketing gimmicks that are perfectly disguised in philanthropy. Poor or rich, as far as technologies are concerned, nations should be given full autonomy to choose what technologies they want to implement depending on their contextual needs and conditions. On the other hand, Malawians should also learn that if something sounds too good to be true, then indeed it is. There is no way Microsoft can give out computers free of charge – There will always be a catch!!!
    Regards,
    Anthony Sinya Ziba

  3. Yurtdisi Egitim Says:

    mein Deutsch ist nicht gut, is it availible in English

  4. lix Says:

    Yes it is available in english language:
    Interview in english

    regards, a

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